Wie oft schlägt das Schicksal genau dann zu, wenn man eigentlich einen guten Lauf hat? Leider musste ich die Erfahrung machen, dass dies wohl ziemlich oft geschieht und wenn es kommt, dann kommt es Dicke. Nachdem meine Stute Karina verstorben war, fühlten meine Familie und ich uns gezwungen für unseren Trakehner-Mix Lucky einen neuen Kumpel zukaufen. Lucky trauerte fürchterlich um Karina, die Einsamkeit ließ ihn sein Futter verschmähen, er wollte nicht mehr auf die Weide, und das Einzige, dass ihn lebendig erscheinen ließ, war ein rasender Geländeritt, bei dem er und ich für einen Moment den Schmerz ausblenden konnten. Als uns schließlich nach sechs Monaten klar war, dass es so nicht weiter gehen konnte und der Sozialkontakt zu Pferden, die man beim Ausreiten getroffen hat, nicht ausreiche, fanden wir schnell ein passendes Pferd für mich.
Schauriger Zufall?
Nepomuk - ein zweijähriger Leonharder Wallach - uns sollte Großes bevorstehen. Ich kaufte ihn mit dem Gedanken aus ihm ein Film- und Showpferd zu machen. Allerdings fiel es mir schwer, mein Herz an ein weiteres Pferd zu hängen. Ich hatte Angst, vor dem Verlustschmerz und ließ Nepomuk letztendlich nicht so wirklich in mein Herz. Ich ging mit ihm um, wie ich es mit Schulpferden oder den Pferden meiner zweibeinigen Schüler tat - ein professioneller objektiver Abstand - damit es weniger wehtut, wenn er einmal geht. Doch das Schicksal war damit wohl nicht einverstanden und belehrte mich eines Besseren. Nepomuk bekam genau ein Jahr später in derselben Nacht, in der meine Karina eine Kolik erlitt und am darauffolgenden Tag in meinen Armen verstarb, eine Kolik. Meine Mama und ich bekamen es nur mit, weil wir Tränen überströmt uns mit der Serie "Fackeln im Sturm" unserer Trauer um Karina hingaben und vorhatten, die Nacht weinend durchzumachen.
Plötzlich war da dieses Donnern und Poltern! Nepomuk hatte sich im Stall festgelegt!!! Es war ein Kampf und eine große Herausforderung ein Pferd, dass noch nicht so ganz Vertrauen in uns gefasst hatte so weit zu beruhigen, dass wir eine Longe um seine Fesseln schlingen konnten, um ihn über den Rücken zu rollen, damit er wieder aufstehen konnte. Irgendwie gelang es uns schließlich. Ich führte ihn, hielt ihn in Bewegung, bis in der Nacht der Nottierarzt kam und schließlich feststellte "Das Pferd muss sofort in die Klinik". Die nächste Hürde stand bevor. Nachdem Nepomuk in jungen Jahren, sich einmal beim Verladen überschlagen hatte, war der Pferdeanhänger für ihn keine positive Erinnerung. Doch irgendwie schafften wir auch das. In der Klinik angekommen, wiehert uns direkt eine Fjord-Stute entgegen. Im dunklen Schein der Nacht sah ich meine Karina vor mir und mir blieb beinahe die Luft weg. Doch es galt nun schnell zu handeln, um Nepomuk zu retten. Nepomuk bekam den Darm entleert und blieb ein paar Tage in der Klinik. Er hatte scheinbar zu viel gefressen und verhältnismäßig zu wenig getrunken - eine typische Kolikursache im Winter.
Ich führte täglich Nepomuk ein kleines Stückchen und spürte, wie sehr der kleine bereits mein Herz erobert hatte. Ich wollte es mir nur nicht eingestehen, aber ich hatte ihn von Anfang an geliebt.
Fluchttiere bleiben Fluchttiere
Als er nach Hause kam und wieder fit und munter war, wuchsen wir zusammen, lernten voneinander und bauten unser gegenseitiges Vertrauen auf. Nepomuk lernte zahlreiche Showtricks und ich fühlte mich mit ihm wie im siebten Himmel.
Doch auch dieser Höhenflug, sollte bald den harten sandigen, unbarmherzigen Boden des Schicksals zu spüren bekommen. Die Pferde waren in unserem Weideunterstand - ein Offenstall der mit einem transparenten Gummivorhang bestückt ist. Durch diese Bänder kann man jedoch nicht hindurchsehen. Genau das war das Problem, als ich vor dem Unterstand durch eine schmale Wegabtrennung, in der zwar zwei Pferde nebeneinander, aber kein zusätzlicher Mensch Platz fanden, lief. Hinter dem Weideunterstand knackte Holz. Die Pferde stürmten aus dem Unterstand. Ich war zur falschen Zeit, am falschen Ort - in einem Totenwinkel und beide Pferde rissen mich zu Boden, nahmen mich unter ihren Hufen ein Stück mit. Alles, was ich hörte, war meine Mama, die fürchterlich Schrie. So laut, dass unsere Nachbarn im 200m entfernten Dorf auf das Geschehen aufmerksam wurden. Spätestens als der Krankenwagen kam, wussten sie, dass ein Unglück passiert war. Ein Unglück? Letztendlich habe ich Glück gehabt. Als ich mich aufsetzte - hey, ich konnte mich immerhin aufsetzen - sah ich ziemlich viel Blut und einen Zahn in meiner Hand. Es war nicht der einzige, den ich verloren hatte. Dazu kam eine Oberkieferfraktur und mindestens 10 Wirbelblockaden, die allerdings erst Monate bei Absetzung der Schmerzmittel erkannt wurden. Wie ihr euch vorstellen könnt, ging es für mich erst einmal mit Blaulicht ins Krankenhaus. Auf die weiteren Details werde ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Neben den körperlichen Verletzungen hatte auch meine Beziehung zu den Pferden gelitten. Ich hatte plötzlich Angst vor Pferden. Kauerte mich in die Stallecke, wenn Pferde schnelle Bewegungen machten, bekam Herzrasen und Panikattacken, wenn ich den Galoppschlag eines Pferdes vernahm. Ein knackendes Geräusch sendete meinem Gehirn genauso das Signal zur Flucht, wie es das bei unseren Pferden getan hatte. Die Idee ein Showpferd auszubilden, geschweige denn meiner nebenberuflichen Arbeit als Pferdetrainerin weiterhin nachzugehen, geriet immer weiter in die Ferne.
Die nächste Herausforderung bestand neben einer bestmöglichen körperlichen Genesung, darin wieder Vertrauen in die Pferde zu bekommen. Eine Therapie lehnte ich ab, nachdem mir eine Psychologin im Bekanntenkreis empfohlen hatte, die Pferde zum Schlachter zu bringen. Von da an war mein Vertrauen zur "Gattung" Psychologe auch erst mal geschädigt. (Klar, es sind nicht alle gleich - aber wenn man schon häufig als Pferdemensch, Rechenschaft für seine Leidenschaft Nicht-Pferdemenschen gegenüber ablegen musste, glaubt man nicht unbedingt, dass Nicht-Pferdemenschen einen verstehen können... und finde mal einen Psychologen mit Pferdeverstand... klar, mag es das geben, aber die wenigsten werden ihr Hobby auf ihrer Praxisseite mitteilen.). Wie dem auch sei... Ich nahm die Sache selbst in die Hand. Immerhin trainierte ich ja bereits Pferde und Menschen, und förderte deren Vertrauensbindung. Also tat ich das, wovon alle einem abraten - wahrscheinlich zu Recht - ich "therapierte" und trainierte mich selbst. Es war ein langer Weg - aber irgendwie schaffte ich es. Heute reite ich wieder, gebe Reitunterricht und bilde Pferde aus. Dieser Schicksalsschlag hat dazu geführt, noch mehr auf das Bewusstsein für die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd zu setzen, um einen vertrauensvolleren Umgang zu fördern.
Trotzdem gibt es Dinge, die nie wieder in Ordnung kommen... oder sehr lange brauchen. Denn bis heute bleiben mir die täglichen physischen Schmerzen, die die Unfallfolgen mit sich bringen. Es vergeht seit 5 1/2 Jahren kein Tag, an dem ich nicht an diesen furchtbaren Moment des Unfalls erinnert werde.
Und so sehr Nepomuk und ich zusammen für unsere Zukunft kämpften, sollte der Unfall nicht der letzte Schicksalsschlag bleiben... wie unser folgender Höhenflug aussah und wie hart uns das Schicksal erneut traf... erzähle ich in meinem nächsten Blogbeitrag in der Kategorie "Pferdestärken".
Bis dahin wünsche ich allen Pferdemenschen da draußen, Gesundheit, einen sicheren und harmonischen Umgang mit ihren vierbeinigen Freunden und stets einen Schutzengel an eurer Seite!
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